11. Dezember 2022
Stellungnahme zum Positionspapier des Vorstands der Frauenunion der CDU Deutschlands vom 04.11.2022 zu den Eckpunkten der Bundesregierung für ein Selbstbestimmungsgesetz (FU 4.11.2022)
Einleitung:
Die Frauenunion (FU) nimmt Personen mit „Geschlechter-Dysphorie“ in den Blick, also solche mit einem ärztlich diagnostizierten Leidensdruck. Das lässt außer Acht, dass sich die Einordnung nach ICD-11 ab 2022 geändert hat und jetzt von „Geschlechtsinkongruenz“ (d.h., keine psychische „Geschlechtsidentitätsstörung“ von Krankheitswert) die Rede ist. Das bedeutet, dass international – unter maßgeblicher Beteiligung von TransaktivistInnen – der Boden schon frühzeitig dafür bereitet worden ist, die geforderten rechtlichen Veränderungen für eine erleichterte Personenstandsänderung hinsichtlich des Geschlechts nicht auf eine kleine Gruppe von „Transsexuellen“ zu konzentrieren sondern auf die Gesamtgesellschaft.
1. Die Verwendung von Geschlecht und geschlechtlicher Identität als Begriffspaar, das zueinander gehört (oder auch manchmal voneinander abweicht) ist problematisch. Während besonders im angelsächsischen Raum ursprünglich das Wort „Gender“ (übersetzt: „soziale Geschlechtsrolle“) von Feministinnen verwendet wurde, um die Zurichtung von biologischen Frauen als geschlechterrollenkonform Dienende und Benachteiligte im Patriarchat zu beschreiben, wird „gender identity“ (bzw. Geschlechtsidentität) heute von TransaktivistInnen als gleichbedeutend mit einer geschlechtsstereotypen Frauenrolle – unabhängig vom biologischen Geschlecht – gleichgesetzt. Der Begriff „Gender“ wird damit über die Kategorie „Geschlecht“ gestellt und somit seines ursprünglichen Sinnes beraubt[1].
Das Bundesverfassungsgericht hat leider in seinen Entscheidungen zum Transsexuellengesetz diese Begriffsverwirrung nachvollzogen und der (wissenschaftlich nicht verifizierbaren) „Geschlechtsidentität“ eine größere Bedeutung als dem körperlichen Geschlecht beigemessen. Der Ausweitung dieser unheilvollen Begriffsklitterung auf die Gesamtbevölkerung gilt es entschieden zu begegnen.
Die Kritik der Frauenunion am Wort „Selbstbestimmungsgesetz“ als Ausdruck einer mangelnden Ernsthaftigkeit und Nichtbeachtung der Komplexität des Themas ist berechtigt. Zu Ende gedacht bedeutet diese mangelnde „Ernsthaftigkeit“ aber doch, dass die Beliebigkeit des Geschlechtseintragswechsels für jedermann und jedefrau dessen Überflüssigkeit zum Ausdruck bringen soll. Und weiter: Wenn der Geschlechtseintrag obsolet wird, wird die verfassungsrechtlich garantierte Gleichberechtigung von Frau und Mann (die keine „Geschlechtsidentität“ kennt) ihrer Grundlage beraubt und ihre Durchsetzbarkeit damit konterkariert. Allein diese Radikalität des „Selbstbestimmungsgesetzes“ offenbart seine Verfassungswidrigkeit. Kompromisse verbieten sich damit, wie später zu sehen sein wird.
2. Die Forderung nach einem verbindlichen Beratungsangebot für Kinder unter 14 Jahren ist zu begrüßen. Hinzuweisen ist auf die Bedeutung der „sozialen Transition“ im Wege der Personenstandsänderung, welche sehr oft die „medizinische Transition“ nach sich zieht[2]. Auch die verfassungsmäßigen Rechte der Erziehungsberechtigten aus Art. 6 GG sind hier zu beachten.
3. Es ist richtig: Laut Bundesverfassungsgericht darf die Gesellschaft Ernsthaftigkeit und Beständigkeit des Geschlechtseintragswechsels erwarten. Gegen medizinisch-psychologische Gutachten zur Ermittlung der Ernsthaftigkeit des „Lebens im anderen Geschlecht“ hat es sich jedoch nicht ausgesprochen[3], da gibt die Frauenunion den TransaktivistInnen zu schnell und unbegründet nach.
Das „Feilschen“ um die Länge der Sperrfrist macht die „Banalisierung des Geschlechtseintrags“ nicht weniger banal. Kompromisse in einem Grundsatzstreit sind brandgefährlich, wenn die Verfechter des „Selbstbestimmungsgesetzes“ letztendlich ihr Ziel (Aufhebung des Geschlechtseintrags, s. GE von B90/Die Grünen 2020 als Alternativoption) auch mit ein paar zusätzlichen Jahren Sperrfrist erreichen würden. Minderjährige sollten von dieser Regelung schon aus anderen Gründen (Bedrohung der körperlichen Unversehrtheit, Sterilisationsverbot) ganz ausgenommen werden.
Missbrauch durch liberale Regelungen: Hier ist der Frauenunion vollumfänglich zuzustimmen. Eine verpflichtende Beratung halten wir jedoch nicht für ausreichend, um Missbrauch auszuschließen. Zwei medizinisch-psychologische Gutachten wie bisher sind grundsätzlich geeigneter.
Die körperliche Geschlechtsumwandlung ist nicht Teil des „Selbstbestimmungsgesetzes“ und kann erst nach Vorlage eines entsprechenden Gesetzentwurfs kommentiert werden. Soviel sei aber schon gesagt: Viel wichtiger als Pflichtberatung ist die Frage der Kostenübernahme durch die GKV und logischer Weise die Kostenübernahme von den Folgen der körperlichen Geschlechtsumwandlung durch weitere Sozialversicherungsträger als wahrer Paradigmenwechsel: Es handelt sich ja lt. ICD 11 nicht um eine „Krankheit“, die zu behandeln und zu heilen wäre.
4. Ein „biologisch falsches Geschlecht“ gibt es nicht, das ist die Sprache des Transgenderismus.
Zur Selbsterklärung von Kindern ab 14 Jahre: Der kritischen Sicht der Frauenunion ist insbesondere im Hinblick auf die hohe Zahl der transitionswilligen Mädchen beizupflichten. Eine Gleichsetzung z.B. mit der Religionsmündigkeit verbietet sich wegen der unabsehbaren körperlichen und seelischen Folgen einer sozialen (und ggf. ihr nachfolgenden medizinischen) Transition für Minderjährige. Die Ersetzung des gegenstehenden Elternwillens durch das Familiengericht ist insbesondere unter dem Aspekt der verfassungsmäßig verbürgten Rechte der Erziehungsberechtigten (Art. 6 GG) kritisch zu sehen.
Allerdings ist die Formulierung „zwischen in der Pubertät zeitweise auftretenden Identitätsproblemen und tatsächlicher Erkenntnis, dass das biologische Geschlecht nicht der geschlechtlichen Identität entspricht“, problematisch. Falls letztere überhaupt existiert, bildet sie sich erst in der Adoleszenz heraus und kann damit keinesfalls als eigenständige Kategorie neben „Identitätsproblemen“ in der Pubertät gelten. Der Vorschlag, Jugendlichen ab 16 Jahren den Gang zum Standesamt – auch gegen den Willen der Eltern – zu ermöglichen, zeigt wiederum den Hang der Frauenunion zum Kompromiss, welcher aber leider nur auf einer Begriffsunklarheit (Identitätsprobleme – Erkenntnis, dass…) begründet ist.
Die Forderung nach befürwortenden psychologischen Gutachten für medizinische Maßnahmen ist ohnehin, wie bereits oben erörtert, zu früh, da diese einem besonderen Gesetz vorbehalten sein werden. Nur so viel sei gesagt: Ein außergerichtliches Mediationsverfahren verlängert und verrechtlicht die Konfliktlage zwischen Kind und Eltern nur. Ein Verbot dieser Maßnahmen wegen Gefährdung des Kindeswohls (s. Tavistock/UK, National Board of Health and Welfare/Schweden[4]) wäre da weitaus angemessener
5. Was die Begrifflichkeiten „biologisches“ und „soziales Geschlecht“ betrifft, ist, wie oben schon unter 1. ausgeführt, festzuhalten: Das biologische Geschlecht soll abgeschafft und durch einen nicht evidenzbasierten Begriff „Geschlechtsidentität“ abgelöst werden. Die Verwandlung von „Gender“ (Rollenzuschreibung aufgrund des Geschlechts) hin zu Gender Identity (Geschlechtsidentität unabhängig vom Geschlecht) beraubt den Gleichberechtigungsartikel 3 GG seiner Grundlage und bringt damit 50% der Bevölkerung – die Frauen – um ihre verfassungsmäßig geschützten Rechte.
Den Ausführungen der Frauenunion zur Verunmöglichung der statistischen Erfassung struktureller Benachteiligung von Frauen sowie hiergegen gerichteter spezifischer Maßnahmen sind außerdem noch der Verlust autonomer Räume sowie sexuelle Gewalt gegen lesbische Frauen durch sog. „Transfrauen“ hinzuzufügen.[5]
6. Dem Ziel der Frauenunion, den Frauensport aktiv zu fördern, ist beizupflichten. Allerdings ist die Zulassung von Männern zum Frauensport grundsätzlich abzulehnen. Der Weltschwimmverband hat nach desaströsen Erfahrungen mit Lia Thomas, die Frauen alle Medaillenchancen genommen hat, kurzerhand entschieden, dass Transpersonen nur dann zum Frauensport zugelassen sind, wenn sie ihre körperliche Transition mit der Vollendung des 12. Lebensjahres (also vor Beginn der männlichen Pubertät) abgeschlossen haben.[6]
7. Den Forderungen der Frauenunion ist zuzustimmen.
8. Die Frauenunion bedenkt nicht, dass Frauen als benachteiligte gesellschaftliche Gruppe, deren Schutz- und Autonomieräume akut bedroht sind, auch ein besonderes Interesse daran haben, von ihrem Recht auf Meinungsfreiheit, Art. 5 GG, Gebrauch machen zu dürfen. Es geht also nicht nur um „Irrtümer und unbedachte Äußerungen“. Wenn Männern das Zutrittsrecht zu autonomen und Schutzräumen von Frauen gegeben werden soll, müssen diese sich wehren dürfen. Dazu gehört auch, Wahrheiten auszusprechen, nämlich, dass (biologische) Männer in besonderen Frauenräumen nichts zu suchen haben. Die Umkehrung von Täter- und Opferperspektive ist hier ein besonderer Trick der TransaktivistInnen, den die Frauenunion leider unkritisch übernimmt. Frauen begehen wegen „Diskriminierung“ eine Ordnungswidrigkeit, wenn sie aufbegehren und unter sich bleiben wollen, sog. „Transfrauen“ reklamieren aber ungestraft eine übergriffige und privilegierte Rolle für sich, z.B. in Frauenhäusern[7].
Die von der Frauenunion befürwortete „Toleranz“ und Akzeptanz“ hat allerdings da sein Ende, wo legitime Interessen anderer gesellschaftlicher Gruppen – Frauen – tangiert sind. Im Übrigen ist die Gleichsetzung von der Akzeptanz (homosexueller) Lebensgemeinschaften sowie „sexueller Vielfalt“ und „geschlechtlicher Identitäten“ ebenfalls ein Trick der TransaktivistInnen, dem die Frauenunion aufgesessen ist: LGB und T haben gar nichts miteinander gemeinsam: Während homo- und bisexuelle Menschen lediglich Akzeptanz ihrer Andersartigkeit einfordern, begehen die TransaktivistInnen Grenzüberschreitungen und verletzen damit die Rechte anderer gesellschaftlicher Gruppen, besonders von Frauen, deren Gleichstellung mit den Männern immer noch nicht erreicht ist.
9. Den Forderungen der Frauenunion ist zuzustimmen.
Zusammenfassung:
Neben zutreffenden Erkenntnissen lässt die Frauenunion einen Hang zum Kompromiss erkennen, welcher leider meist nur dazu geeignet ist, den Interessen der TransaktistInnen entgegenzukommen und kaum dem drohenden Schaden für Frauen und Mädchen Einhalt zu gebieten.
[1] https://digitalcommons.uri.edu/dignity/vol7/iss4/1/, p.15f.
[2] Kenneth J. Zucker, “The myth of persistence: Response to “A critical commentary on follow-up studies and ‘desistance’ theories about transgender and gender non-conforming children” by Temple Newhook et al. (2018), http://www.hbrs.no/wp-content/uploads/2017/05/The-myth-of-persistence-0ZUCKER.IJT_.2018.pdf [letzter Zugriff: 10.07.2022).
[3] BVerfG, Beschl. d. Ersten Senats v. 11.01.2011 – 1 BvR 3295/07- Voraussetzungen für Eingetragene Lebenspartnerschaft, Rz. 66, http://www.bverfg.de/e/rs20110111_1bvr329507.html [letzter Zugriff: 16.10.2020].
[4] Fn. 1, p. 17f.
[5] Vgl. Projektbeschreibung, https://lesbisch-sichtbar.berlin/ [letzter Zugriff: 15.11.2021]. „BEGINE – Treffpunkt und Kultur für Frauen e.V.“ listet auf ihrer Website alle Gruppen unter „Frauennetzwerk“ auf, die wegen ihrer staatliche Förderung „transinklusiv“ sind, https://www.begine.de/gruppen.html
Caroline Lowbridge, BBC News, 26 October 2021: “We’re being pressured into sex by some trans women’, https://www.bbc.com/news/uk-england-57853385 [letzter Zugriff: 15.11.2021].
[6] Schwimmweltverband FINA: Neue Regeln für Transmenschen | tagesschau.de
Autorin: Gunda Schumann ©
Vorständin LAZ reloaded e.V.